Vorlesetag

Ein Zeichen für das Lesen setzen

215 Veranstaltungen in Thüringen zum bundesweiten Vorlesetag. Ein Impuls für den kulturellen Wert von Literatur

ERFURT. Dichter Nebel umhüllt die Gemeinschaftsschule Steigerblick am frühen Morgen und sorgt für besinnliche Leseatmosphäre. Emma Bräuer aus der 7a sitzt vor der Klasse: „Ich lese heute das doppelte Lottchen von Erich Kästner vor“, sagt sie.

Die Gemeinschaftsschule in Hochheim ist einer von 215 Veranstaltungsorten des 15. bundesweiten Vorlesetages in Thüringen. „Allein im Freistaat haben sich 12.000 Leser und Zuhörer angemeldet“, sagt Sabrina Holitzner von der Stiftung Lesen. Deutschlandweit seien es mehr als eine halbe Million.

Dass der Vorlesetag derart floriert, freut Schulleiter Thomas Stalzer, denn die Anzahl der enthusiastischen Leseratten gehe in Deutschland tendenziell zurück. „Vorlesen regt die Fantasie der Kinder an, motiviert sie zum Selberlesen und zum gegenseitigen Austausch über Literatur. Der Vorlesetag hat deswegen bei uns einen hohen Stellenwert, und vielleicht ergeben sich Synapsen zwischen den Schülern.“Dieser Meinung ist auch Stefanie Gohlke. Sie ist Erzieherin im Kindergarten Sommersprosse und liest vor ihrer Vorschulgruppe im Naturkundemuseum in Erfurt. „Lesen fördert die persönliche Bildung“, sagt sie. „Vorlesen ist dazu eine wichtige Form der Interaktion.“Das Buch „Als die Arche Noah beinahe unterging“steht heute auf dem Plan – in verteilten Rollen mit ihren zwei Kollegen. „Vorlesen hat bei uns im Kindergarten einen hohen Stellenwert. Es ist wichtig, gerade im digitalen Zeitalter die Kinder an das Lesen heranzuführen.“

In der Schule Steigerblick sind alle Klassenstufen involviert: „Die Großen lesen den Kleinen vor, es gibt einen Vorlesewettbewerb oder die Schüler malen zu Geschichten. Zwei Klassen gehen in die Erfurter Innenstadt zur Lesung des Buchs Tintenherz“, sagt Stalzer. Zusätzlich hat die Schule zwei prominente Gäste eingeladen, den Erfurter Stadtrat Daniel Stassny (Freie Wähler) und den Autor Frederic Schulz. Sie lesen den Schülern aus selbst gewählten Werken vor. Schulz unterstreicht den Wert des Vorlesens als unverzichtbare Kulturtechnik in der heutigen Zeit und gibt zu bedenken: „Eine Gesellschaft, die das Vorlesen nicht mehr zu schätzen weiß, hat auch das Zuhören verlernt. Und wenn wir eines in diesen Zeiten brauchen, dann die Fähigkeit, dem anderen wieder zuzuhören.“Zumindest Emma Bräuer fühlt sich darin bestätigt. „Ich lese schon immer viel in meiner Freizeit“, sagt sie, „das macht doch auch Spaß.“

Quelle: https://www.pressreader.com/germany/th%C3%BCringische-landeszeitung-erfurt/20181117/282243781629290 vom 17.11.2018.